Mit der App scoolio haben Danny Roller und sein Team einen digitalen Begleiter für den Schulalltag entwickelt. Im Interview mit bidi erzählt der junge Gründer von der Idee dahinter und wie sich Digitalisierung wirklich sinnvoll in der Schule integrieren lässt.
Was bedeutet Bildung für dich?
Bildung bedeutet für mich, Menschen das richtige Werkzeug an die Hand zu geben, damit sie sich im Laufe ihres Lebens mit den verschiedensten Problemstellungen auseinandersetzen können. Das fängt in der Schule an, wo der Fokus auf der Vermittlung von breitgefächertem Allgemeinwissen liegt. Nach dem Schulabschluss können dann verschiedene Wege genutzt werden, um sich in eine bestimmte Richtung zu spezialisieren und zu lernen, wie Probleme aus diesem Themengebiet erkannt, analytisch betrachtet und gelöst werden. Die Fähigkeit zu diesem lösungsorientierten Umgang mit Problemen ist für mich der Kernpunkt dessen, was Bildung vermitteln soll.
Inwieweit findet das denn deiner Meinung aktuell schon im deutschen Bildungssystem statt?
Ich denke unser deutsches Bildungssystem ist, auch im Vergleich gesehen, ein qualitativ sehr hochwertiges. Grundsätzlich halte ich auch die Vermittlung eines breitgefächerten Allgemeinwissens auf dem ersten Bildungsweg in der Schule für sehr sinnvoll. Alles was danach kommt, zB. unsere Hochschullandschaft zeugt von Weltniveau-Qualität. Darauf können wir stolz sein, sollten uns aber nicht darauf ausruhen und unser Bildungssystem stetig weiterentwickeln. Es haben sich neue Themenkomplexe ergeben, wie der Umgang mit digitalen Medien, wo es großen Nachholbedarf gibt.
Heutzutage gibt es eine Vielzahl an Angeboten zur Wissensvermittlung, digital und analog. Nicht das Wissen an sich ist aktuell also unser Problem, sondern der Zugang zum Wissen. Unser Ziel sollte sein, gerade jüngeren Schülern zu vermitteln, wie sie diesen Zugang erhalten können. Jeder kennt heutzutage zB. Google aber die wenigsten wissen, wie die Google Bildersuche funktioniert oder wie man Keyword-Verknüpfungen für die Google Suche einsetzt. Mit scoolio treten wir dafür ein, den Schulalltag dahingehend zu digitalisieren, dass der Zugang zum Wissen für jeden Schüler und jede Schülerin vereinfacht wird, indem er oder sie mit nur einer App eine Hilfestellung für die Organisation, Kommunikation und berufliche Orientierung im Schulalltag bekommt.
Mit der scoolio App habt ihr es tatsächlich geschafft, große Teile des Schulalltags zu digitalisieren. Wie kam es denn zu der Idee für diese App?
Man saugt natürlich viele Umwelteinflüsse auf, bewusst und unbewusst. Tatsächlich bin ich einfach eines morgens aufgewacht und plötzlich erschien der Name scoolio und der Gedankengang dazu vor meinem geistigen Auge. Ich war sofort sehr aufgeregt, weil ich dachte “Hey, da ist echt ein Bedürfnis da!” Schnell fand ich Mitarbeiter, die das Thema ebenfalls spannend fanden. Mittlerweile ist aus der Idee in meinem Kopf ein Team aus 18 wundervollen Menschen geworden, die diese Idee begleiten und mit vollem Einsatz voranbringen wollen. Das macht mich wahnsinnig glücklich und stolz.
Wir erhalten von unseren Nutzern sehr viel positives Feedback in Form von Bewertungen im Playstore oder Appstore. Zu hören, dass durch unsere App mehr Struktur und Organisation in den Schulalltag gebracht wurde und die Schüler somit bessere Noten bekommen, macht uns sehr froh. Von Eltern hören wir oft, dass die Kinder nun endlich mal etwas sinnvolles auf dem Smartphone haben. Wir möchten mit der App einen hohen Nutzwert schaffen, der aber gleichzeitig Spaß macht und ich denke, das ist uns sehr gut gelungen.
scoolio bietet also eine digitale Hilfestellung für alle Themen rund um den Schulunterricht. Hast du Ideen, wie digitale Medien noch mehr in den Unterricht selbst eingebaut werden können?
Wir haben 2017 eine Schultour durch Sachsen gemacht und wollten dabei mit Eltern,Lehrern und Schülern zu dem Thema “Digitalisierung - Fluch oder Segen” in Kontakt kommen. Seitens der Lehrer kam uns dann viel Ablehnung gegenüber digitalen Medien entgegen. Aber nicht weil sie die grundsätzlich schlecht fanden, sondern weil sie nicht verstanden wurden. Viele Lehrer berichteten, dass an der Schule Whiteboards installiert wurden, aber niemand den Lehrern erklärte, was sie mit diesen tun können.
Aktuell ist unser Schulsystem so ausgelegt, dass der Lehrer im Frontalunterricht den Schülern das Wissen vermittelt. Warum aber nicht mal andersherum? Den Schülern von heute fällt der Umgang mit Tablets oder Whiteboards wahrscheinlich sehr leicht.. Warum also nutzt man dieses Potenzial nicht und gibt den Schülern die Möglichkeit, ihren Lehrern etwas mitzuteilen? Das könnte so aussehen, dass der Lehrer ein Thema aus dem Lehrplan vorgibt und die Schüler haben die Möglichkeit, den Unterricht selbst zu gestalten, sich also zu überlegen, wie sie sich dieses Thema näher bringen. Dabei helfen ihnen digitale Angebote bei der Wissensbeschaffung, als eine Art Partner zwischen Schüler und Lehrer. Sodass Lehrer wiederum überlegen können, wie sie auf die Bedürfnisse ihrer Schüler eingehen können und was man daraus mitnehmen könnte, um den Schulalltag noch interessanter zu gestalten.
Meiner Meinung nach ist Kommunikation bei allen Themen das A und O, um Probleme zu lösen. So sind wir auch mit den Lehrern vorgegangen. Wir haben mit ihnen gesprochen, unsere Idee vorgestellt und gefragt wie wir helfen können. Wir wollen mit scoolio eine Schülercommunity rund um den Schulalltag aufbauen, aber auch Ansprechpartner für Lehrer sein, denn sie wurden eben nie über die Möglichkeiten digitaler Bildung aufgeklärt. Man muss sich die Lunge zum Beispiel nicht mehr in einem Buch anschauen, man kann digitale Angebote nutzen, um in jeden Lungenflügel hinein und hinaus zu zoomen oder vieles mehr. Sinnvoll integriert bieten digitale Medien im Unterricht die Möglichkeit, interaktiv und spielerisch Wissen zu vermitteln, sodass es sich jungen Köpfen manifestiert.
Woran scheitert diese sinnvolle Integration von digitalen Medien im Unterricht aktuell?
Die Demografie des Bildungssystem ist eine Herausforderung. Für Menschen im fortgeschritteneren Alter ist der Umgang mit digitalen Medien natürlich schwieriger, weil sie nicht damit aufgewachsen sind. Das ist normal und verständlich. In 50 Jahren wird vielleicht das klassische Automobil nicht mehr existieren und meine Generation wird dann mit der neuen Alternative genauso viele Probleme haben. Eigentlich müsste ein Teil des Digital Paktes in die Fortbildung der Lehrkräfte investiert werden, denn damit Whiteboards an alle Schulen zu bringen ist es nicht getan.
Eine weitere zentrale Herausforderung ist die gesellschaftliche Einstellung. Wir sehen in Deutschland bei einem Thema meist die Probleme zuerst. Wo soll das Geld für Tablets herkommen und wer soll sie warten und was ist mit dem Datenschutz? Ich bin aber ein Freund davon, zuerst die Lösungen und Chancen zu sehen. Was kann die Digitalisierung denn im Schulalltag alles bewirken? Sie bewirkt, dass Menschen früher befähigt werden mit Herausforderungen im Studien- und Arbeitsalltag umzugehen, dass es ein effizientes Miteinander gibt, dass veraltete Strukturen und Prozesse umgedacht werden. All das würde ich viel mehr in den Fokus stellen und die Problemstellungen die sich daraus ergeben dann gemeinsam und zielgerichtet bearbeiten. Dabei halte ich es für zielführender, das föderale System zu vereinheitlichen. Der Bund kann einen Rahmen vorgeben, in dem man sich gemeinsam als Land bewegt. Es sollte für die Zukunft eines Kindes keine Rolle spielen, in welchem Bundesland es aufwächst und zur Schule geht. Die Standards sollten alle die gleiche Qualität haben und für das Bildungssystem ist es sicher eine große Herausforderung, 16 unterschiedliche Sichtweisen unter einen Hut zu bringen.
Jede Medaille hat natürlich zwei Seiten. Ein Nachteil der fortschreitenden Digitalisierung ist das Überangebot an Informationen, welches Menschen schnell überfordert. Googlet man zB. Fotosynthese, so erhält man über 8000 Seiten, die das Thema auf unterschiedlichste Weise erklären. Da fällt es schwer zu unterscheiden, was relevant ist und was nicht. Außerdem wird Digitalisierung fälschlicherweise oft als Allheilmittel verstanden. Digitalisierung ermöglicht ein spezifisches Problem auf eine andere Art und Weise effizient zu lösen, was nicht heißt, dass sich jedes gesellschaftliche Problem durch Digitalisierung lösen lässt. Meiner Meinung nach ist es wichtig, Probleme zu identifizieren und dann Lösungswege abzuleiten. Dabei kann Digitalisierung unterstützen, aber ein Problem nicht von selbst lösen. Ich bin ein Freund davon zu überlegen, bei welchem Schritt von welchem Problem es Sinn macht digitale oder analoge Methoden einzusetzen.
Was denkst du denn, wie der Schulalltag in Zukunft aussehen wird?
Ich glaube, dass digitale Geräte wie zB. Tablets eingesetzt werden um Informationen gebündelt an einen Ort zu speichern und jederzeit zugänglich zu machen. Grundvoraussetzung Nummer Eins dafür ist die digitale Infrastruktur. So sollte man den Schulen einen Breitbandanschluss mit genügend großer Kapazität und Geschwindigkeit zur Verfügung stellen.
Ich glaube die stundenlange Präsenz im Klassenzimmer selbst wird nicht mehr die Rolle spielen, wie sie das heute tut. Wie es sich aktuell auch schon im Arbeitsleben entwickelt, wird es auch in der Schule zukünftig einen Mix aus digitalen und aus Präsenzveranstaltungen vor Ort geben. Es steht in der Schule der Zukunft also nicht mehr die Anwesenheit im Vordergrund, sondern die Wissensvermittlung und die Vorbereitung auf die spätere Zukunft.
Hast du konkrete Tipps, was jeder einzelne zur positiven Entwicklung unseres Bildungssystems beitragen kann?
Viel kommunizieren, berichten und gegenseitig voneinander lernen. Digitalisierung ermöglicht es uns Wissen über geografische Grenzen hinaus zu teilen. Trotzdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass es nicht sinnvoll ist 24/7 am Handy zu hängen. Man sollte sich eine gewisse Kompetenz aneignen um bewusst für sich entscheiden zu können, wann man digitale Medien nutzt und wann man Stillzeiten hat, wo sie keine Rolle spielen.
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